Immobiliendarlehensverträge der Sparda-Bank Hessen können widerrufen werden

Darlehensverträge, die im Zeitraum vom 01.09.2002 bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, konnten nur bis zum 21.06.2016 widerrufen werden, sofern die im Darlehensvertrag verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Darlehensverträge, die nach dem 10.06.2016 geschlossen wurden, können gegebenenfalls heute noch widerrufen werden. Beispielhaft dafür ist das nachfolgende Urteil des OLG Frankfurt vom 22.08.2018 – 3 U 145/17.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Nennung zweier unterschiedlicher Fristen missverständlich war. Die Widerrufsbelehrung ist damit fehlerhaft und konnte die Widerrufsfrist nicht in Gang setzen. Dazu im Einzelnen, wie folgt.

Nach der Musterbelehrung sollte die Widerrufsinformation im Zeitraum vom 30.07.2010 – 03.08.2011 zum Fristbeginn wie folgt belehren:

Widerrufsinformation

Widerrufsrecht

Der Darlehensnehmer* kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Ãœber in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:”… (Hervorhebung durch den Verfasser des Textes)

Die im Darlehensvertrag verwendete Widerrufsinformation (Widerrufsbelehrung), welche der Entscheidung des OLG Frankfurt zu Grunde lag, enthält unter der Ãœberschrift “Widerrufsrecht” am Ende einen Zusatz “die Widerrufsfrist beträgt einen Monat”. Nach der Musterbelehrung müsste es allerdings heißen “die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat”. Es fehlt das Wort “dann” in der von der Sparda-Bank Hessen verwendeten Widerrufsinformation. Ohne Nennung des Wortes “dann” gibt es zwei Fristen, d.h. 14 Tage und einen Monat. Für Verbraucher ist dann nicht nachvollziehbar, welche der zwei Fristen gelten soll. Dazu nachfolgend auszugsweise aus der Entscheidung des OLG Frankfurt:

Dies widerspricht dem Deutlichkeitsgebot und kann bei einem durchschnittlich verständlichen Verbraucher zu einer Verwirrung führen. Denn es ergibt sich aus der verwendeten Widerrufsbelehrung nicht eindeutig, dass sich die Monatsfrist nur auf eine nachträgliche Information über fehlende Pflichtangaben bezieht. Anders als die Musterbelehrung nach der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB fehlt dort vor dem Wort “einen” das Wort “dann”, was verdeutlichen würde, dass die Monatsfrist nur in diesem Fall gilt. Da die Beklagte diesen Zusatz weggelassen hat, ist einem durchschnittlichen Verbraucher bei unbefangenem Lesen der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht klar, dass die Monatsfrist nur in dem Fall der nachträglichen Information über Pflichtangaben gilt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Nennung der zweiten Frist im räumlichen Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Nachholung der Pflichtangaben steht. Daraus und der Trennung des Halbsatzes durch ein Semikolon folgt aber nicht hinreichend deutlich, dass sich die zweite Frist nur auf die Nachholung der Pflichtangaben bezieht.”.

Der Widerruf eines Immobiliendarlehens führt dazu, dass der Darlehensnehmer sich noch während einer laufenden Zinsbindungsfrist von dem Darlehen lösen kann. Dadurch kann er davon profitieren, dass die Marktzinsen heute deutlich günstiger sind. Wer sich vorzeitig von seinem Immobiliendarlehen lösen möchte, muss keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Hinzu kommt, dass der Darlehensnehmer Zinsen (Nutzungswertersatz) in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf seine gesamten Darlehensleistungen (z.B. Darlehensrate, Sondertilgung) von dem Kreditinstitut erhält. Dadurch bekommt man in der Regel mehrere Tausend Euro zurück.

Für Darlehensnehmer kann es sich also lohnen, zu prüfen, ob ein Widerruf möglich ist. Am besten wendet man sich hierzu an eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei, die eine kostenlose Vorprüfung anbietet. Wenn der jeweilige Vertrag die Möglichkeit eines Widerrufs bietet, sollte möglichst zeitnah eine Widerrufserklärung gegenüber dem Kreditinstitut ausgesprochen werden. Ansonsten kann dies später möglicherweise nicht mehr nachgeholt werden, da die Rechtsprechung bereits in vielen Fällen angenommen hat, dass das Widerrufsrecht nach längerem Zeitablauf verwirkt oder wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen sei. In der Vergangenheit haben die Kreditinstitute zumeist trotz eindeutiger Rechtslage die Anerkennung eines berechtigten Darlehenswiderrufs gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Darlehensnehmern verweigert. Die Durchsetzung der Ansprüche sollte dann eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei übernehmen.

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